Wasserkunst Bremen
»Umgedrehte Kommode«

Anmerkungen und Ideenskizze zur
geplanten Umnutzung
Thomas Paschke, Bremen

Belagerungsturm bezwingt Wasserturm! schoss es mir durch den Kopf als ich kürzlich im Weser Kurier eine mögliche Umbauvariante der „Umgedrehten Kommode“ sah.
Dem ingenieurhaften, rein technischen Entwurf fehlt es meines Erachtens an gestalterischem Einfühlungsvermögen. Respektlos und plump. Fällt denn niemandem auf, dass der Wasserturm eine Burg sein will? Und das Schlimmste, was einer Burg passieren kann ist die Eroberung!

Ich plädiere dafür, das Gebäude in seiner Gesamtwirkung unverändert zu erhalten. Um es einer neuen Nutzung zuzuführen, sind natürlich Eingriffe notwendig. Aber bitte nicht wie in der folgenden Abbildung dargestellt. Wir sollten die besondere Aura des Objekts respektieren und aufrechterhalten. Dabei ist ein Nebeneinander von Altem und Neuem kein Widerspruch, sondern führt im Gegenteil, sofern gestalterische Sensibilität waltet, zu einem spannenden, zeitgemäßen Bild.

 

 

Kritik zu der im Weser Kurier abgebildeten "Umbauvariante"

Nach 133 Jahren Festung endlich eingenommen!
oder: Investoren siegen auf ganzer Linie! So könnten die passenden Schlagzeilen lauten.

Mal eben mit dem Fahrstuhlschacht die Burg eingenommen, ohne jede Raffinesse. Kein Witz, keine Ironie, gar nichts. Da steht sie nun, ihrer Würde beraubt. Die Attribute ihrer Stärke und Wehrhaftigkeit ins Lächerliche verkommen.

 

 

 

Vorab

Im Folgenden erläutere ich meine Vorstellung einer möglichen Umgestaltung und künftigen Nutzung des Wasserturms.

Eine Umgestaltung ergibt sich aus einer neuen Nutzungsabsicht. Im Gegensatz zu den mir bekannten Ideen, die das Gebäude in unterschiedlichen Kombinationen als Gewerbefläche, Kulturinstitution oder Museum nutzen möchten, denke in erster Linie an Wohnraum.

Warum?
Gewerbefläche: Ein erkennbarer Bedarf an weiteren Gewerbeflächen scheint mir nicht gegeben. Im Gegenteil wird mit der Erschließung der Überseestadt vermutlich bald mehr Gewerbefläche zur Verfügung stehen, als in den kommenden Jahren benötigt wird.
Kulturelle Einrichtungen/Museum: Bremen hat schon heute größte Schwierigkeiten die bestehenden Kultureinrichtungen zu finanzieren (siehe aktuelles Beispiel: botanica). Vielleicht typisch bremisch sich noch weiter aus dem Fenster zu hängen, aber realistisch gesehen keine gute Idee.

Warum Wohnraum? Es muss das vorrangige Interesse eines kleinen Landes wie Bremen sein, finanzkräftige Steuerzahler anzusiedeln und zu kultivieren.
Dazu benötigen wir attraktivem Wohnraum (der es aufnehmen kann mit der Verlockung vom eigenen Haus im Grünen und damit der "Landflucht" nach Niedersachsen), sowie einer Stadtgestaltung, die den Bürgern Lebensqualität bietet (z. B. ist ein Gewerbegebiet neben dem Unisee und somit die Zerstörung eines Naherholungsgebietes ein schönes Beispiel für kompletten Unsinn).

Der Wasserturm eignet sich hier vorzüglich. Eine wesentliche Veränderung des Äußeren, die das Gesamtbild nachträglich beeinträchtigt, ist nicht erforderlich. Streng genommen könnte insgesamt darauf verzichtet werden, abgesehen von zusätzlichen Fensterflächen im Erdgeschoss, sowie im mittleren Bereich des Turms. Diese können jedoch als minimal invasiv angesehen werden.

Die Umnutzung kann sich durch beliebige Raumgrößen den Gegebenheiten individuell anpassen. Ergebnis wären Lofts über ein bis zwei Etagen, die in ihrer Gestaltung und Dimensionierung, die gegebenen architektonischen Vorgaben der historischen Substanz berücksichtigen.

Auf diese Weise könnte in Bremen Wohnraum geschaffen werden, der einzigartig sein dürfte. Die besondere Atmosphäre des Gebäudes, der unglaubliche Ausblick, als auch die bevorzugte Lage innerhalb der Stadt stehen für ein einmaliges Wohnerlebnis.

 



Entwurf

Vorbemerkung
Die hier vorgestellte Ideenskizze ist, wie das Wort sagt: eine Skizze. Sie erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch kann garantiert werden, dass sie ohne Fehler oder Widersprüche ist.

Ansichtssimulation





Erläuterungen

Wie bereits oben beschrieben, ist es die erklärte Absicht, den Eingriff in das äußere Erscheinungsbild des Wasserturms minimal zu gestalten.

Einziges, aber markantes Merkmal dieses Entwurfs bilden vier goldene Kronen, die als jeweiliger Abschluss der Ecktürme dienen.
Ein in diesem Bereich des Gebäudes vorgenommener Eingriff ist sinnvoll, da der gegenwärtige Zustand (vgl. Abb. am Kopf der Seite) zwar ein gewohntes Bild darstellt, aber keinesfalls dem Originalentwurf entspricht.
Ursprünglich bildeten hier zweistufige Bekrönungen den Abschluss, die jedoch 1962 wegen Baufälligkeit abgetragen wurden (s. Abb. unten).

Eine Rekonstruktion der Bekrönungen würde heute befremdlich wirken und kann nur im Rahmen eines Wiederaufbaus des Gesamtensembles in Betracht gezogen werden.
Aber nur hervorgehobene starke Ecktürme (siehe Originalentwurf) können das Gebäude strukturieren. Dem Turm wieder Kronen aufzusetzen ist somit ein Schritt zurück zum Ursprung.

Die hier vorgestellte Lösung ist formal einfach gehalten. Zehn am oberen Ende spitz zulaufende, vergoldete Platten fügen jeweils einen Raum.

Im Mittelteil des Turmes ist eine zusätzliche Fensterreihe eingefügt, um diesen Innenbereich nutzbar machen zu können. Das gleiche gilt für das Erdgeschoss. Hier werden die Türen durch Fensterflächen ersetzt.

Vor einigen ausgewählten Fenstern sind Balkone platziert. Diese sind aus einem Spezialstahl gefertigt, der eine oberflächliche Rostpatina ansetzt. Durch diese Farbgebung setzen sie sich von der das Gesamtbild bestimmenden Backsteinfarbgebung kaum ab und greifen in die Gesamtanmutung nur unwesentlich ein.

Neben den Vorzügen, die ein Balkon seinen Bewohnern bietet, weisen sie auch nach außen, auf die Wandlung des Gebäudes hin. Hier wird ein Stück historischer Industriearchitektur einer neuen Nutzung zugeführt. Warum dies nicht auch deutlich machen?

Das Dach bleibt in seiner Form unangetastet. Hier bietet sich es sich an, Solarzellen einzusetzen, die in gewissen Bereichen lichtdurchlässig sind. So werden die darunter liegenden Räumlichkeiten indirekt beleuchtet.

Zu Füßen des Gebäudes liegt ein umlaufendes Wasserbassin mit einer Querung zum Eingangsbereich: keine Burg ohne Wassergraben.
Eigentlicher Sinn dieses Wassergrabens ist es, einen angemessenen Abstand zu den Wohnungen im Erdgeschoss herzustellen und somit öffentlichen Bereich von privatem zu trennen.

 



Ansicht um 1875




 

 

Ansichtsskizzen

Blick Richtung Weser Stadion

Möglich dahinter sitzt ein kluger Kopf... auf jeden Fall dürfte er den Ausblick genießen, wenn er denn mal hoch schaut.
Jede Seite des Gebäudes erhält max. drei -vier Balkone, verteilt auf unterschiedlichen Geschossebenen, um das Gesamtbild nicht wesentlich zu beeinträchtigen.

 

Pavillion

Die den Ecktürmen aufgesetzten »Kronen« bilden kleine Pavillons. Betreten kann man sie aus der darunter liegenden Etage über eine im Eckturm befindliche Treppe. Sie sind Orte des Rückzugs, des Schwebens über und des Blicks auf die Welt. Ein Sessel, ein Buch, ein Glas Wein...

 

 

Balkon in der obersten Etage

 

 

 

 

Schnittbild

Das Schnittbild zeigt beispielhaft, wie die Aufteilung des Inneren aussehen könnte.

Die Erschließung des Turmes erfolgt mittig, bedarf aber insbesondere im Erdgeschoss, beim Umgang mit dem Kreuzgewölbe, besonderer gestalterischer Raffinesse.
Um diesen Eingriff zu vermeiden, kann auch eine Zuwegung über den Nordturm erfolgen. Da dieser im unteren Bereich durch Kriegsschaden nicht original rekonstruiert wurde, ist ein Eingriff an dieser Stelle vermutlich wenig bedenklich. Ab der ersten Etage dann die weitere Erschließung zentral in der Mitte des Gebäudes.

Neben einer Wohnnutzung bietet sich für das Erdgeschoss auch eine gastronomische, kulturelle oder gewerbliche Nutzung an.

Sofern bautechnisch umsetzbar, kann das 4 Meter hohe Kellergeschoss als Tiefgarage genutzt werden.

 

 

 

 

 

Innenansichten des gegenwärtigen Zustands


Erdgeschoß: Kreuzgewölbe


1. Etage


2. Etage


3. Etage: Hier lastet das gewaltige Gewicht eines der beiden Wassertanks


3. Etag
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Umfeld

Für die Umfeldbebauung wäre es spannend, einen Architektenwettbewerb auszuloben, der eine eng umrissene Aufgabenstellung vorgibt: Wohnbebauung, unterschiedliche Größen: freistehende Häuser, Gruppenensemble, zwei oder dreigeschossig, in parkähnlichem Ambiente.

Als gestalterische Vorgabe: Die Gebäude müssen sich formal am Wasserturm orientieren, das heißt: Würfelartig, Festungselemente, Betonung der Ecksituationen etc., jedoch in einer modernen, zeitgemäßen, experimentellen Architektur.

Das Ganze von einem Fachgremium betreuen lassen und schauen, was dabei herauskommt. Vermutlich ein einzigartiger neuer Stadtteil.



 

 

 

 

 

 

 

 

Quellenangabe:
Angaben entsp. Reihenfolge der Abbildungen:

- Umgedrehte Kommode bei Mond, © Werner Busch, Fotograf, Fischerhude
- Weser Kurier vom 17.08.2006, Stadtteil Kurier Mitte, Seite 5; Artikel: "Das äußere Bild erhalten"
- Ansichtssimulation, © Thomas Paschke, Bremen
- Abb. aus "Wasser, Zur Geschichte der Trinkwasserversorgung in Bremen", Bremer Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte (Focke-Museum); Seite 66.
- Skizze: Blick Richtung Weser Stadion; © Thomas Paschke, Bremen
- Skizze: Pavillion; © Thomas Paschke, Bremen
- Skizze: Balkon in der obersten Etage; © Thomas Paschke, Bremen
- Schnittbild: zugrunde liegendes Schnittbild aus: "Die Wasserversorgung der Freien Hansestadt Bremen" von Alfred Ohl; Seite 96
- Wasserturm Innenansicht Erdgeschoß: © Thomas Paschke, Bremen

- Wasserturm Innenansicht 1. Etage: © Thomas Paschke, Bremen
- Wasserturm Innenansicht 2. Etage: © Thomas Paschke, Bremen
- Wasserturm Innenansicht 3. Etage Tragekonstruktion: © Thomas Paschke, Bremen
- Wasserturm Innenansicht 3. Etage: © Thomas Paschke, Bremen


Mein herzlicher Dank gilt Babette Gräfe von kultur + kontext.

Siehe auch unter tp3d.de:
http://www.tp3d.de